- 07.01 ‣DREI FRAGEN AN SIMON WECKERTDialogfeld 3
Welche Arbeit hast du für die Dialogfelder entwickelt?
Simon: „Für die Dialogfelder wollte ich Bürger:innen des Sonnenbergs porträtieren. Mir ist aufgefallen, dass man jeden Tag neue Gesichter sieht und neue Leute kennenlernt wenn man über den Sonnenberg läuft. Ich wollte deshalb Porträts des Sonnenbergs schaffen, welche dann als Installation zu sehen sind.“
Bemerkst du Unterschiede zu anderen Residenzen, jetzt wo du in eine Stadt mit persönlichen Bezug eingeladen wurdest?
Simon: „Auf jeden Fall. Man kommt schon schneller in Kontakt mit Leuten und hat auch noch ein paar Connections. Irgendwie war ich relativ schnell wieder drin. Schon nach den ersten zwei Tagen hatte ich das Gefühl, gut angekommen zu sein und konnte direkt loslegen. Das war der größte Unterschied zu anderen Städten. Den Sonnenberg habe ich damals als krassen Naziberg wahrgenommen, um den ich immer einen großen Bogen gemacht habe. Jetzt war ich erstaunt wie divers das Stadtgebiet ist. Diesen Ansatz wollte ich weiter verfolgen. Mit den Porträts möchte ich zeigen wie viel sich entwickelt hat im Vergleich zu dem Chemnitz vor 10 oder 15 Jahren als ich weggezogen bin.“
Was können die Besucher:innen deiner Präsentation erwarten?
Simon: „Prinzipiell wird es eine Installation, vor der man viel Zeit verbringen muss. Im Endeffekt wird es eine screenbasierte Arbeit. Wenn man vor der Installation steht, denkt man wahrscheinlich erst, dass es ein Porträt ist. Steht man länger davor, wird man sehen, dass sich das Gesicht langsam weiterentwickelt und ein Morphing von einem zum anderen Gesicht stattfindet. Ich glaube, dass dann die Frage entstehen kann, wie viel Veränderung es braucht, um eine neue Person zu erkennen und was das bei den Betrachter:innen auslöst.“
- 07.01 ‣DREI FRAGEN AN SUSANNA FLOCKDialogfeld 3
Was für eine Arbeit hast du für die Dialogfelder entwickelt?
Susanna: „Für die Dialogfelder beschäftige ich mich mit Google Maps und den Feedbackstrukturen, die man über Rezensionen, Kommentare, Bilderupload ablegen kann. Ich möchte das Potential der Feedbackstrukturen künstlerisch umnutzen.“
Wie schnell war dir klar, dass du dieses Projekt entwickeln möchtest und in diese Richtung gehen möchtest? War das eine Idee, die du von Anfang an hattest oder ist sie spontan entstanden?
Susanna: „Das Projekt ist hier entstanden. Ich fand es sehr spannend, dass man im Rahmen der Dialogfelder für ungefähr einen Monat eingeladen wird und sich vor Ort mit der Stadt beschäftigt. Das ist sehr aufregend, hat aber auch in mir ein bisschen Druck ausgelöst, weil ich Angst hatte, dass ich keine gute Idee entwickle. Aber wir hatten ja einen spannenden Input gleich zu Beginn in Chemnitz mit den Welcome Days. Tatsächlich hat sich die Idee dann in Gesprächen mit den anderen herausgestellt.“
Was können die Besucher:innen von deiner Präsentation und dem Projekt allgemein erwarten?
Susanna: „Es ist der Startschuss für ein Projekt ohne Vollständigkeitsanspruch. Es wird einen Spaziergang geben mit einer sehr persönlichen und assoziativen Tour über den Sonnenberg über Google Maps Einträge und das Thema des ständigen Bewertens und Sachen in ein bis fünf Sterne zu kategorisieren. Die Chemnitzer:innen und der Rest der Welt, da wir alle von Google Maps vermessen sind, können es nutzen. Durch die offene Struktur, kann jeder Orte bewerten und Fotos oder Text hochladen, um eine öffentliche Debatte anzustoßen.“
- 07.01 ‣DREI FRAGEN AN NIKLAS ROYDialogfeld 2
Was waren deine ersten Assoziationen als du das Thema “Drag & Drop” erfahren hast?
Niklas: „Als ich das Thema “Drag & Drop“ erfahren habe, dachte ich: klar – das hat was mit GUI’s zu tun, mit Computern, mit Oberflächeninteraktion, mit dem Draggen und Droppen von Dateien. Andererseits passt es natürlich auch sehr gut zu dem, was meine Partnerin Kati und ich gemeinsam künstlerisch machen. Wir arbeiten oft digital und im öffentlichen Raum und das bringt es mit sich, dass wir unsere physischen Installationen mitnehmen („draggen“) und dann eben auch dort, wo wir ein Publikum finden („droppen“).“
Was für ein Projekt habt ihr euch für die diesjährigen Dialogfelder überlegt?
Niklas: „Das Projekt an dem wir hier gerade gemeinsam arbeiten wird ein “Vektorkollektor“, ein mobiles Gerät, mit dem wir Vektoren einsammeln. Die Idee dabei ist, dass Menschen Zeichnungen mit einem Joystick anfertigen können. Die Bilder werden dabei digital gespeichert und wir bauen ein Archiv an Vektorzeichnungen auf. Die Vektoren werden wir in der letzten Woche weiterverarbeiten, mit dem Ziel auf dem Sonnenberg etwas Bleibendes zu hinterlassen.“
Digitalität im Chemnitzer Stadtraum, vor allem auf dem Sonnenberg: Science-Fiction oder Alltag?
Niklas: „Auf dem Sonnenberg ist mir die Netzabdeckung über Freifunk sofort positiv aufgefallen. So etwas hätte ich in Berlin auch gerne. Da ist Chemnitz schon weiter als andere Städte und das ist eine tolle Sache.“
- 07.01 ‣DREI FRAGEN AN BRIDADialogfeld 2
Was für ein Projekt habt ihr euch für die diesjährigen Dialogfelder überlegt?
Sendi: „Als wir vom Klub Solitaer kontaktiert wurden, hatten wir direkt die Idee, dass die Stadt selbst Protagonist unseres Projektes werden soll. Wir haben zwei Projekte entwickelt – „DOITYOURSELF“ ist eine Performance, bei der ein Bild kollektiv gezeichnet wird. Die Aktion findet beispielsweise in einem Park statt. Dort beginnen wir mit dem Malen anhand von Audioinstruktionen und laden Personen zur Teilnahme ein.
Im zweiten Projekt „Trackeds“ sind Passant:innen unbewusst Teilnehmende. Die Filmaufnahmen der Stadt werden an unterschiedlichen Orten durchgeführt und die dabei erfassten Bewegungen der Autos und Menschen tragen dazu bei eine neue Arbeit zu erschaffen.“Hattet ihr im Vornherein schon ein Bild von Chemnitz oder habt ihr ein altes Bild zur Stadt bereits verworfen?
Sendi: „Nein, wir wussten nur, dass Chemnitz genau wie unsere Stadt Nova Gorica zur Europäischen Kulturhauptstadt 2025 gewählt wurde. An dem Tag als wir ankommen sind war es kalt und regnerisch, so dass niemand auf der Straße war. Meine Wahrnehmung der Stadt hat sich dann jedoch in den nächsten Tagen geändert. Erst dann habe ich gesehen, wie viel hier passiert und dass hier tatsächlich Leute wohnen. Ich weiß, dass das für Chemnitzer:innen vielleicht absurd klingt, aber bisher bin ich nur sehr aufgeschossenen Personen begegnet. Deswegen hat sich mein Bild wenn dann nur zum Positiven geändert.“
Was möchtet ihr mit eurer Arbeit im Rahmen der Dialogfeldern sagen?
Sendi: „Tatsächlich sollen die Chemnitzer:innen ihre Ideen und Träume bezüglich der Stadt erzählen. Wir sind einfach nur gern drei Künstler:innen hinter der Kamera und möchten beobachten was passiert und uns mit den Bewohner:innen austauschen.“
Jurij: „Für unsere Arbeit ist es typisch, dass wir eine Umgebung schaffen, bei der der öffentliche Raum im Fokus steht. Die Teilnehmenden erschaffen die Kunst. Das Interessante an unseren Projekten ist, dass die Kunst deshalb nicht nur von uns abhängig ist. Letztendlich sind wir also nicht nur Künstler:innen, sondern auch Beobachter:innen.“
- 07.01 ‣DREI FRAGEN AN PHILIPP RÖDING (PARA)Dialogfeld 1
Was ist deine erste Assoziation zu Drag & Drop, unserem diesjährigen Thema?
Philipp: „Ich denke da zuerst an dieses kleine Computer-Händchen mit dem Mickey-Mouse-Handschuh und dieses Plop-Geräusch, wenn man eine Datei in einen Ordner fallen lässt.“
Wie unterscheidet sich deine Arbeit sonst von deiner Arbeit hier in Chemnitz?
Philipp: „Meine Praxis hat viel mit Text zu tun; ich schreibe. Bei PARA machen wir alle ein bisschen was von allem, ein Feeling für die Gegend bekommen, das mache ich sonst hauptsächlich.
Meine Arbeit hier ist gar nicht so anders – ich habe alles mögliche gelesen, was mit Rauch zu tun hat – ich habe über Walfang gelesen, die Herstellung von Walöl als Leuchtmittel, Bücher über London zur Zeit der Industrialisierung, weil ich versuche, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es war, in einem klassischen Arbeiterviertel wie dem Sonnenberg zu leben, wenn es so heftig verraucht war. Sich diese Vorstellung erschließen, über Texte und Bilder, das ist ein typischer Ansatz für mich. Heute morgen habe ich z.B. einen Text von Heinrich Böll über das Ruhrgebiet, auch einen der deutschen Industriestandorte gelesen. Ich lese viel über den Kohleausstieg, alles was unter den Komplex “Gesellschaftstransformation” fällt, auf die Verschiebung vom grundlegenden Prozess der Verbrennung von Dingen hin zu etwas neuem, unbekannten.“
„Der Blick von PARA ist der Blick aus einer angenommenen Zukunft auf diese Epoche. Aus einer spekulativen Zeit schaut man auf eine Vergangenheit zurück, die unsere Gegenwart ist. Von der Zukunft auf die Gegenwart zu schauen, eröffnet Einiges. Auf dem Sonnenberg bietet sich das an, weil man sieht, dass hier gerade vieles im Anfang ist – der Kreativhof ist ein klassisches Beispiel, den jetzt überlegt man: was ist Industrie, die zukunftsfähig und nachhaltig ist?“
Erzähl uns von einer eurer Arbeiten, an die du gern zurückdenkst.
Philipp: „Die Ruinen der Spekulation in Frankfurt. Es ging um die Vorstellungen des Finanzmarkts von der Zukunft. Das sind sehr eigene Vorstellungen, die einer offenen, statistisch modellierbaren Zukunft, undefinierten Zukunft. Wir haben uns überlegt, dass diese Vorstellung irgendwann genauso Vergangenheit sein wird wie heute z.B. die Zukunftsvorstellungen der Antike, und haben deshalb die Taunusanlage zum Weltkulturerbe erklärt. Wir haben Menschen hindurchgeführt und sind mit vielen von Ihnen ins Gespräch gekommen. Sie haben intensiv auf die Arbeit reagiert, die Fiktion einer Zeitreise, die wir ins Spiel gebracht haben war teilweise ganz stark.“
- 07.01 ‣DREI FRAGEN AN THE SYSTEM COLLECTIVEDialogfeld 1
Was waren eure ersten Chemnitz-Eindrücke?
TheSystemCollective: „Was uns aufgefallen ist, sind die vielen Brachstätten. Dass sich vieles im Umbau befindet – wir haben das Gefühl, am Anfang einer Entfaltung angekommen zu sein und dass trifft sich für uns ganz gut.“
Gibt es ein Lieblingstool oder eine Software, mit der ihr besonders gern arbeitet?
TheSystemCollective: „Uns ist es wichtig, mit möglichst viel freier Software zu arbeiten. Dazu gehört z.B. Blender, ein 3D Programm. Auf der Programmierseite verwenden wir z.B. Leaflet, Three.js und unsere eigenen Open Source Programme; unsere Map kommt von OpenStreetMap. Das sind alles Programme, die einen partizipativen Zugang haben. Diesen Zugang versuchen wir auch den Künstler:innen zu vermitteln, die wir ans Digitale heranführen. Normalerweise macht Software den Benutzer zum Produkt; hier sind wir jedoch Besitzer:innen von dem, was wir erschaffen. Genauso ist es uns wichtig, dass die Künstler:innen weiterhin Besitzer:innen ihrer Arbeiten sind, die sie bei uns auf der Karte platzieren.“
Erzählt uns von einer eurer Arbeiten, an die ihr gern zurückdenkt.
TheSystemCollective: „Unsere künstlerische Zusammenarbeit hat bei einer Ausstellung in einem leerstehenden Ladengeschäft in Wien begonnen. Die dort entstandenen Arbeiten wurden dann digital gespeichert und zu virtuellen Skulpturen im Stadtraum transformiert. Künstler:innen aus allen Sparten konnten dadurch ihre Arbeiten in ganz Wien verteilen. Die Ausstellungsreihe hieß “TheSystem – Phase.1”. Viele Künstler:innen, deren Ausstellungen abgesagt wurden, kamen dann auf uns zu und haben uns motiviert, weiterzumachen. Es wurde klar: was wir machen ist ein Museum ohne festen Ort. Wir sind keine Kurator:innen per se, wir teilen die Plattform für eigene Konzepte und deren Platzierung im öffentlichen Raum.“
- 07.01 ‣DREI FRAGEN AN ANNA TILLDialogfeld 2
Du bist nun seit einigen Wochen in Chemnitz (unterwegs):
Wie sind deine Eindrücke von der Stadt? Ist dir irgendwas bestimmtes aufgefallen? Warum? Welche Unterschiede siehst du dabei z.B. zu euren Heimatstädten Dresden und Hamburg?Anna: „Chemnitz, das ist für mich vor allem: Viel Platz haben. Breite Straßen, große Häuser, wenig Menschen. Das lässt viel Freiraum. Ich bin ziemlich beeindruckt von all den unterschiedlichen kulturellen Initiativen, die diesen Raum nutzen um die vielfältige Subkultur zu gestalten und dabei immer einen starken Bezug zur Stadtgesellschaft Chemnitz suchen. Im Gegensatz zu Dresden, das in den letzten Jahren nahezu totsaniert wurde und überwiegend sein Barock-Erbe pflegt, sind in Chemnitz stilistische Brüche sichtbar. Ich werde viel mehr an die DDR-Vergangenheit erinnert, durch bestimmte Gebäude oder Denkmäler aus dieser Zeit. Das genieße ich auf eine eigenartige Weise. Es gibt nicht ein Bild, eine Ästhetik von Chemnitz. Chemnitz ist wie ein Puzzle bei dem mit der Zeit einzelne Puzzleteile verloren gegangen sind und durch neue ersetzt wurden. Ein Cluster ohne Zentrum.“
Im Rahmen der Dialogfelder 2020 Von Sinnen widmest du dich dem Tastsinn: Gibt es dabei Impressionen, die du vor allem aus dem Sonnenberg zieht? Um welche handelt es sich konkret? Wie finden sich diese in deiner Arbeit wieder?
Anna: „Tastsinn ist der Sinn, der mich in der Welt verortet. Indem ich Informationen über das Tasten aufnehme, erkenne ich die Temperatur einer Oberfläche, fühle ob diese weich oder hart ist und in welcher Distanz ich mich zu einem Objekt befinde. Das ist erstmal unabhängig von der genauen Umgebung. Mithilfe des Tastens setze ich meinen Körper in Bezug zu dessen Umfeld. Das ist für mich entscheidend. Den Körper quasi in das Zentrum zu rücken und zu positionieren. In diesem Fall im Sonnenberg. Wo gehe ich schnell vorbei? An welcher Stelle möchte ich verweilen? Welche Oberflächenstrukturen sind mir vielleicht noch nie aufgefallen? Welche Ecken und Kanten bieten Raum um den Körper daran anzupassen, sich darin zu verkriechen? Welche Flächen sind weit und groß, so dass sie als Bühne genutzt werden können?“
Kannst du uns jeweils einen kleinen Ausblick auf die entstehende Arbeit geben? Auf was dürfen sich Besucher:innen der Präsentationswoche vom 31.10. bis 06.11. freuen?
Anna: „Ich möchte bei den DIALOGFELDERN etwas probieren, dass ich noch nie gemacht habe. Normalerweise zeichnet sich meine Arbeit durch Minimalismus, Genauigkeit und künstlerischen Dialog aus; außerdem produziere ich überwiegend Stücke für die (Theater-)Bühne. Dieses Mal gehe ich in den Stadtraum und beschäftige mich intensiv mit einem speziellen Material: Schaumstoff. Ich habe mir quasi ein übergroßes Kostüm als Perfomance-Partner gesucht. Das Objekt besteht aus unterschiedlichen Polygon-Formen (Konzeption und Konstruktion: Tobias Eisenkrämer) und ist ein bisschen größer als ich. Ich befinde mich innerhalb des Objektes, mein Körper verschwindet also fast komplett, bewegt aber von innen das Material. Außerdem gibt es mehrere Löcher, die ich nutze, um dem Schaumstoffwesen Arme, Beine und Kopf zu geben. Auf diese Weise erstaste ich die Stadt, den Sonnenberg.“
- 07.01 ‣DREI FRAGEN AN HEIKO WOMMELSDORFDialogfeld 2
Du bist nun seit einigen Wochen in Chemnitz (unterwegs):
Wie sind deine Eindrücke von der Stadt? Ist dir irgendwas bestimmtes aufgefallen? Warum? Welche Unterschiede siehst du dabei z.B. zu euren Heimatstädten Dresden und Hamburg?Heiko: „Für mich war Chemnitz ein unbeschriebenes Blatt. Das Label Raster-Noton bzw. Raster-Media kannte ich und darüber hinaus nichts bis auf die Ereignisse aus dem Jahr 2018. Im Vergleich zu Hamburg ist der extreme Leerstand hier auf dem Sonnenberg eine absolute Extreme. Leerstand gibt es in Hamburg nicht und hier stehen ganze Häuser leer. Dennoch habe ich Chemnitz begeistert kennengelernt. Die „Gegenwarten/Presences“ Ausstellung und der „Hang zur Kultur“ fielen in meine erste Chemnitz-Woche. Darüber hinaus gab es noch eine wunderbare Fahrradtour durch Chemnitz mit der Bordsteinlobby und ein herzliches Kennenlernen der Galerie Borssenanger und der Galerie OSCAR im Weltecho.“
Im Rahmen der Dialogfelder 2020 Von Sinnen widmest du dich dem Hörsinn: Gibt es dabei Impressionen, die du vor allem aus dem Sonnenberg zieht? Um welche handelt es sich konkret? Wie finden sich diese in deiner Arbeit wieder?
Heiko: „Ich bin als Klanginstallationskünstler seit 2007 tätig. Mein Fokus liegt seit langem auf Geräuschen des urbanen Raumes, obwohl ich außerhalb einer Galerie / eines Museums nur sehr selten ausstelle. Lüftungs-/Klimaanlagen, Heizkörper, Leuchtstoffröhren oder Wassertropfen in Fallrohren positioniere ich in Ausstellungen. Über die Einladung, direkt im urbanen Raum arbeiten zu dürfen freue ich mich deshalb sehr. Mit einem Dezibelmessgerät in der Hand habe ich viele Spaziergänge durch das Viertel gemacht, die Ergebnisse meiner Touren werden ab den 31.10. präsentiert.“
Kannst du uns jeweils einen kleinen Ausblick auf die entstehende Arbeit geben? Auf was dürfen sich Besucher:innen der Präsentationswoche vom 31.10. bis 06.11. freuen?
Heiko: „In meiner Arbeit „Schallleistungspegel Chemnitz-Sonnenberg“ wird das Ticken der Ampeln, das Brummen der Lüftungsanlagen, das Surren der Stromkästen und weitere Geräuscherzeuger im öffentlichen Raum gemessen. Mit einem Aufkleber wird der Passant darauf hingewiesen, dass es hier etwas zu hören gibt. Um die Orte zu finden, an denen ich auf dem Sonnenberg den Schallleistungspegel gemessen und Etikettiert habe, erhält man einen Stadtplan des Viertels mit Markierungen und weiteren Informationen.“
- 07.01 ‣DREI FRAGEN AN TAINÁ GUEDESDialogfeld 3
Du bist nun seit einigen Wochen in Chemnitz (unterwegs):
Wie sind deine Eindrücke von der Stadt? Ist dir irgendwas bestimmtes aufgefallen? Warum? Welche Unterschiede siehst du dabei z.B. zu eurer Heimatstadt Berlin?Tainá: „Ich freue mich, so viele Garteninitiativen und Menschen zu sehen, die eine nachhaltigere, integrativere und harmonischere Gesellschaft aufbauen wollen. Ich habe Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund getroffen, die in der Stadt leben, und sie sind alle so stark und inspirierend – vom Haus der Kulturen, über die Lila Villa und ihrer internationalen Community bis hin zu allen Deutschen und Einheimischen. Ich hatte nicht mit einer Stadt mit so viel Platz und großen Alleen gerechnet. Das gefällt mir, als symbolisches Bild. Schöpfung braucht Raum. Veränderung braucht Raum. Wenn ich also über diese beiden Dinge nachdenke (den Raum in der Stadt und diese Menschen, die ich getroffen habe), denke ich, dass das vielleicht vorherrschende negative Bild der Stadt zum Positiven geändert werden kann.
Die Arbeit, die der Klub Solitaer e.V. mit Dialogfeldern leistet, ist eines der entscheidenden Projekte auf diesem Weg für Veränderungen. Die Idee sechs Künstler:innen von außerhalb in der Stadt zusammen zu bringen, um mit der lokalen Gemeinschaft zu arbeiten und zum Denken über öffentliche Räume anzuregen, ist ein wirkungsvolles Instrument, um Menschen für eine positive Veränderung zusammenzubringen.
…
Im Vergleich zu Berlin sehe ich Gemeinsamkeiten in den Garteninitiativen und der wachsenden Anzahl junger Menschen, die bereit sind, sich einen „kleinen Garten“ zuzulegen, der nachhaltigere Ideen und das Ziel mit sich bringt, die Städte grüner zu machen.“Im Rahmen der Dialogfelder 2020 Von Sinnen widmest du dich dem Geschmackssinn: Gibt es dabei Impressionen, die du vor allem aus dem Sonnenberg ziehst? Um welche handelt es sich konkret? Wie finden sich diese in deiner Arbeit wieder?
Tainá: „Ich finde das Viertel und seine Nachbarschaft sehr schön. Mir gefällt der Blick auf die Stadt von der „Spitze“ des Sonnebergs aus. Manchmal bedeckt bei Sonnenuntergang ein geheimnisvoller Nebel Teile der Gebäude. Die Aussicht auf die Dächer ist atemberaubend. Mein Lieblings-Lebensmittelgeschäft in der Stadt „Peacefood“ befindet sich hier – meine stärkste Verbindung zu Lebensmitteln hier. Sie haben eine gute Auswahl an Zutaten, und die Vielfalt ist sichtbar, schmeckbar und man kann durch den Geschmackssinn die Bedeutung der Bewahrung der Vielfalt auf unserem Planeten verstehen. Geschmack ist einer der überzeugendsten Sinne, die wir haben. Ich glaube, es ist der Sinn, den wir am meisten vertrauen und verstehen.“
Kannst du uns jeweils einen kleinen Ausblick auf die entstehende Arbeit geben? Auf was dürfen sich Besucher:innen der Präsentationswoche vom 12.12. bis 18.12. freuen?
Tainá: „Ich erarbeite eine Installation aus sieben großen Drucken (3,5m x 2m) und sieben Videos, in Zusammenarbeit mit Chemnitzer:innen unterschiedlicher Hintergründe. Die Installation nutzt das Selbst, um Begriffe auszupacken, die Identität und Symbolik widerspiegeln. Die Einzelpersonen oder so genannte „Entitäten“, die auf den Drucken abgebildet sind, fungieren als Oberfläche zur Sensibilisierung von Anmerkungen zu Fragen im Zusammenhang mit der Vielfalt. Die visuelle Verkörperung von Lebensmitteln entfaltet persönliche und kollektive Identität, und Verbindungen zwischen Elementen und Bereichen, die seit Anbeginn der Menschheit Thema sind.“
- 07.01 ‣DREI FRAGEN AN KLARA RAVATDialogfeld 3
Du bist nun seit einigen Wochen in Chemnitz (unterwegs):
Wie sind deine Eindrücke von der Stadt? Ist dir irgendwas bestimmtes aufgefallen? Warum? Welche Unterschiede siehst du dabei z.B. zu eurer Heimatstadt Berlin?Klara: „Chemnitz, das „Land“ der leerstehenden Gebäude. Ich bin wirklich beeindruckt von der Fläche und den leerstehenden Gebäuden in der ganzen Stadt. Diese Leere vermittelt mir den Eindruck unbegrenzter Möglichkeiten – Dinge geschehen zu machen und zu lassen. Es ist, als würden die leeren Räume meine Tagträume geradezu anfachen. Unweigerlich kommen mir viele Fragen über Raum und Wohnen in den Sinn: „Was würde passieren, wenn ich nach Chemnitz ziehe? Würde ich es mir eines Tages leisten können, in dieser Stadt ein ganzes Gebäude zu kaufen? Könnte ich mich in einem dieser Gebäude niederlassen und es in ein riesiges Geruchslabor umbauen? Würden Leute aus Berlin vorbeikommen, wenn ich an den Wochenenden einen Kleinbus besorge?“ Phantasieren über die Möglichkeiten des Raumes. Was mich ebenso fasziniert, ist die große Anzahl der Gärten, und wie engagiert die Menschen, die die Gärten betreiben, sind. In einer Stadt, die recht ruhig und beschaulich erscheint, finde ich, dass die Gemeinschaftsbildung und Treffpunkte ein Muss sind, um sie in Verbindung zu halten.„
Im Rahmen der Dialogfelder 2020 Von Sinnen widmest du dich dem Geruchssinn: Gibt es dabei Impressionen, die du vor allem aus dem Sonnenberg ziehst? Um welche handelt es sich konkret? Wie finden sich diese in deiner Arbeit wieder?
Klara: „Im Moment finde ich die Gerüche des Viertels Sonnenberg recht neutral. Da die Räume so weiträumig sind und aufgrund der COVID-Bestimmungen im Moment kaum Menschenansammlungen möglich sind, verflüchtigen sich die Gerüche. Ich frage mich dabei, ob die Stadtplanung und der fast nicht vorhandene Geruch Hand in Hand gehen. Durch den wunderbaren Rundgang, den Octavio und Lisa vom Bordsteinlobby e.V. an den ersten Tagen in der Stadt umsetzten, habe ich erfahren, dass Chemnitz früher sehr nach Trabant-Öl roch und die Verschmutzung durch die umliegenden Tagebaue die Stadt geradezu vereinnahmte.
Die (scheinbare) Geruchsneutralität muss also etwas wirklich Wichtiges für alle und für die Geschichte der Stadt sein. Es ist fast so etwas wie ein Aushängeschild, eine Art Wink. Der neutrale Duft erinnert uns daran, zu vergessen und hinter uns zu lassen, wer wir waren, und deutet an, wer wir sein wollen.
Die tabula rasa oder die weiß-duftende Leinwand weckt meine Vorstellungskraft, so wie es die leeren Gebäude tun. Was würde passieren, wenn eine Ausländerin – die ich bin – die Gerüche des Sonnenbergs nicht nur neu denkt, sondern auch neu kreiert? Was wäre, wenn ich eine fiktive Geschichte phantasievoller Düfte des Sonnenbergs erzähle?“
Kannst du uns jeweils einen kleinen Ausblick auf die entstehende Arbeit geben? Auf was dürfen sich Besucher:innen der Präsentationswoche vom 12.12. bis 18.12. freuen?
Klara: „Wegen des gegenwärtigen Weltwahnsinns, war ich in letzter Zeit sehr an Selbstfürsorgeerfahrungen interessiert und wie man Rituale schafft – wie man Menschen Raum zur Verarbeitung all dessen gibt, was wir im Kunstkontext durchmachen.
Zum Beispiel habe ich in Berlin einen komplett weißen Raum, inkl. großem weißen Kissen (7 m) in einem Galerieraum in Berlin-Mitte geschaffen. Der Raum war mit Meeres- und Luftgerüchen parfümiert, und ich habe einen sich wiederholenden dröhnenden Klang entworfen, der Besucher:innen hilft sich zu entspannen. Ich wollte, dass die Menschen in der Lage sind, zu kommen und im Raum zu bleiben, solange es eben notwendig ist. Eine Pause von der Pandemie und ihrem Privatleben.
Hier auf dem Sonnenberg arbeite ich daran, jene Selbstpflegepraktiken mit den neutralen Aromen der Nachbarschaft zu verbinden. Hierfür habe ich einen rituellen Teppich zur Selbstpflege entworfen, der aus Wolle hergestellt wird. Der Teppich enthält verschiedene eingearbeitete Symbole. Sie sind Darstellungen meiner eigenen Heilungs- und Fürsorgepraktiken. DMit ist bewusst, dass dies sehr privat ist und nicht jeder damit zu tun haben könnte, daher möchte ich meine Praktiken teilen und sie auf eine eher persönliche (statt private) Ebene bringen – die Verbindung zwischen dem Geruch der Nachbarschaft und dem, was wir tun können, um uns besser zu fühlen, indem wir uns vorstellen, welche Düfte wir gemeinsam für eine bessere Zukunft kreieren könnten.“