- 07.01 ‣DREI FRAGEN AN ANNA TILLDialogfeld 2
Du bist nun seit einigen Wochen in Chemnitz (unterwegs):
Wie sind deine Eindrücke von der Stadt? Ist dir irgendwas bestimmtes aufgefallen? Warum? Welche Unterschiede siehst du dabei z.B. zu euren Heimatstädten Dresden und Hamburg?Anna: „Chemnitz, das ist für mich vor allem: Viel Platz haben. Breite Straßen, große Häuser, wenig Menschen. Das lässt viel Freiraum. Ich bin ziemlich beeindruckt von all den unterschiedlichen kulturellen Initiativen, die diesen Raum nutzen um die vielfältige Subkultur zu gestalten und dabei immer einen starken Bezug zur Stadtgesellschaft Chemnitz suchen. Im Gegensatz zu Dresden, das in den letzten Jahren nahezu totsaniert wurde und überwiegend sein Barock-Erbe pflegt, sind in Chemnitz stilistische Brüche sichtbar. Ich werde viel mehr an die DDR-Vergangenheit erinnert, durch bestimmte Gebäude oder Denkmäler aus dieser Zeit. Das genieße ich auf eine eigenartige Weise. Es gibt nicht ein Bild, eine Ästhetik von Chemnitz. Chemnitz ist wie ein Puzzle bei dem mit der Zeit einzelne Puzzleteile verloren gegangen sind und durch neue ersetzt wurden. Ein Cluster ohne Zentrum.“
Im Rahmen der Dialogfelder 2020 Von Sinnen widmest du dich dem Tastsinn: Gibt es dabei Impressionen, die du vor allem aus dem Sonnenberg zieht? Um welche handelt es sich konkret? Wie finden sich diese in deiner Arbeit wieder?
Anna: „Tastsinn ist der Sinn, der mich in der Welt verortet. Indem ich Informationen über das Tasten aufnehme, erkenne ich die Temperatur einer Oberfläche, fühle ob diese weich oder hart ist und in welcher Distanz ich mich zu einem Objekt befinde. Das ist erstmal unabhängig von der genauen Umgebung. Mithilfe des Tastens setze ich meinen Körper in Bezug zu dessen Umfeld. Das ist für mich entscheidend. Den Körper quasi in das Zentrum zu rücken und zu positionieren. In diesem Fall im Sonnenberg. Wo gehe ich schnell vorbei? An welcher Stelle möchte ich verweilen? Welche Oberflächenstrukturen sind mir vielleicht noch nie aufgefallen? Welche Ecken und Kanten bieten Raum um den Körper daran anzupassen, sich darin zu verkriechen? Welche Flächen sind weit und groß, so dass sie als Bühne genutzt werden können?“
Kannst du uns jeweils einen kleinen Ausblick auf die entstehende Arbeit geben? Auf was dürfen sich Besucher:innen der Präsentationswoche vom 31.10. bis 06.11. freuen?
Anna: „Ich möchte bei den DIALOGFELDERN etwas probieren, dass ich noch nie gemacht habe. Normalerweise zeichnet sich meine Arbeit durch Minimalismus, Genauigkeit und künstlerischen Dialog aus; außerdem produziere ich überwiegend Stücke für die (Theater-)Bühne. Dieses Mal gehe ich in den Stadtraum und beschäftige mich intensiv mit einem speziellen Material: Schaumstoff. Ich habe mir quasi ein übergroßes Kostüm als Perfomance-Partner gesucht. Das Objekt besteht aus unterschiedlichen Polygon-Formen (Konzeption und Konstruktion: Tobias Eisenkrämer) und ist ein bisschen größer als ich. Ich befinde mich innerhalb des Objektes, mein Körper verschwindet also fast komplett, bewegt aber von innen das Material. Außerdem gibt es mehrere Löcher, die ich nutze, um dem Schaumstoffwesen Arme, Beine und Kopf zu geben. Auf diese Weise erstaste ich die Stadt, den Sonnenberg.“