Drag and Drop

Unser Bild von Virtualität und Digitalität ist trotz ihrer Omnipräsenz im Alltag stark geprägt von Science Fiction Szenarios. Es liegt an uns zu entscheiden welche ethischen und moralischen Werte wir in Bezug auf die Herausforderungen im digitalen Zeitalter setzen wollen, um damit die Zukunft der Beziehung zwischen Mensch und Maschine und deren hybride Formen zu definieren.

Mit den Dialogfeldern eröffnen wir einen öffentlichen künstlerischen Diskursraum für diese Fragen. Zum Thema Digitalität im Stadtraum laden wir in drei Etappen zeitgleich zwei Künstler:innen auf den Chemnitzer Sonnenberg ein. Sie übersetzen ihre Visionen und Phantasien zum Thema in Interventionen im Stadtraum und setzen (scheinbaren) Science Fiction Szenarios im Alltag reale Erlebnis – und Experimentierräume entgegen.
Drag and Drop” ist die intuitivste Form der virtuellen Interaktion. Es verändert, verschiebt, arrangiert, bearbeitet, kopiert und öffnet damit neue Welten und Möglichkeiten.

Unter diesem Titel stellen wir daher die Frage in den (Stadt-)Raum, welche Art von Digitalität den öffentlichen Raum bereichert und welche es eher kritisch zu untersuchen und hinterfragen gilt. Von Augmented Reality über Holographie und Projection Mapping bis hin zu Robotik – wir bitten Künstler:innen diverser Disziplinen ihre Visionen und Versionen von digitaler Teilhabe im Stadtteil Sonnenberg zu realisieren und das Prinzip “Drag and Drop” in den analogen Raum zu übertragen.

 

  • PARA KOLLEKTIV
    10.12.2024
    THE SYSTEM COLLECTIVE
    7.01.2025
  • NIKLAS ROY UND KATI HYYPPÄ
    19.11.2024
    BRIDA
    28.11.2024
  • SIMON WECKERT
    21.04.2025
    SUSANNE FLOCK
    28.05.2025
  • 07.01 ‣DREI FRAGEN AN SIMON WECKERT
    Dialogfeld 3

    Welche Arbeit hast du für die Dialogfelder entwickelt?

    Simon: „Für die Dialogfelder wollte ich Bürger:innen des Sonnenbergs porträtieren. Mir ist aufgefallen, dass man jeden Tag neue Gesichter sieht und neue Leute kennenlernt wenn man über den Sonnenberg läuft. Ich wollte deshalb Porträts des Sonnenbergs schaffen, welche dann als Installation zu sehen sind.“

     

    Bemerkst du Unterschiede zu anderen Residenzen, jetzt wo du in eine Stadt mit persönlichen Bezug eingeladen wurdest? 

    Simon: „Auf jeden Fall. Man kommt schon schneller in Kontakt mit Leuten und hat auch noch ein paar Connections. Irgendwie war ich relativ schnell wieder drin. Schon nach den ersten zwei Tagen hatte ich das Gefühl, gut angekommen zu sein und konnte direkt loslegen. Das war der größte Unterschied zu anderen Städten. Den Sonnenberg habe ich damals als krassen Naziberg wahrgenommen, um den ich immer einen großen Bogen gemacht habe. Jetzt war ich erstaunt wie divers das Stadtgebiet ist. Diesen Ansatz wollte ich weiter verfolgen. Mit den Porträts möchte ich zeigen wie viel sich entwickelt hat im Vergleich zu dem Chemnitz vor 10 oder 15 Jahren als ich weggezogen bin.“

     

    Was können die Besucher:innen deiner Präsentation erwarten?

    Simon: „Prinzipiell wird es eine Installation, vor der man viel Zeit verbringen muss. Im Endeffekt wird es eine screenbasierte Arbeit. Wenn man vor der Installation steht, denkt man wahrscheinlich erst, dass es ein Porträt ist. Steht man länger davor, wird man sehen, dass sich das Gesicht langsam weiterentwickelt und ein Morphing von einem zum anderen Gesicht stattfindet. Ich glaube, dass dann die Frage entstehen kann, wie viel Veränderung es braucht, um eine neue Person zu erkennen und was das bei den Betrachter:innen auslöst.“

     

  • 07.01 ‣DREI FRAGEN AN SUSANNA FLOCK
    Dialogfeld 3

    Was für eine Arbeit hast du für die Dialogfelder entwickelt?

    Susanna: „Für die Dialogfelder beschäftige ich mich mit Google Maps und den Feedbackstrukturen, die man über Rezensionen, Kommentare, Bilderupload ablegen kann. Ich möchte das Potential der Feedbackstrukturen künstlerisch umnutzen.“

    Wie schnell war dir klar, dass du dieses Projekt entwickeln möchtest und in diese Richtung gehen möchtest? War das eine Idee, die du von Anfang an hattest oder ist sie spontan entstanden?

    Susanna: „Das Projekt ist hier entstanden. Ich fand es sehr spannend, dass man im Rahmen der Dialogfelder für ungefähr einen Monat eingeladen wird und sich vor Ort mit der Stadt beschäftigt. Das ist sehr aufregend, hat aber auch in mir ein bisschen Druck ausgelöst, weil ich Angst hatte, dass ich keine gute Idee entwickle. Aber wir hatten ja einen spannenden Input  gleich zu Beginn in Chemnitz mit den Welcome Days. Tatsächlich hat sich die Idee dann in Gesprächen mit den anderen herausgestellt.“

    Was können die Besucher:innen von deiner Präsentation und dem Projekt allgemein erwarten?

    Susanna: „Es ist der Startschuss für ein Projekt ohne Vollständigkeitsanspruch. Es wird einen Spaziergang geben mit einer sehr persönlichen und assoziativen Tour über den Sonnenberg über Google Maps Einträge und das Thema des ständigen Bewertens und Sachen in ein bis fünf Sterne zu kategorisieren. Die Chemnitzer:innen und der Rest der Welt, da wir alle von Google Maps vermessen sind, können es nutzen. Durch die offene Struktur, kann jeder Orte bewerten und Fotos oder Text hochladen, um eine öffentliche Debatte anzustoßen.“

  • 07.01 ‣DREI FRAGEN AN NIKLAS ROY
    Dialogfeld 2

    Was waren deine ersten Assoziationen als du das Thema “Drag & Drop” erfahren hast? 

    Niklas: „Als ich das Thema “Drag & Drop“ erfahren habe, dachte ich: klar – das hat was mit GUI’s zu tun, mit Computern, mit Oberflächeninteraktion, mit dem Draggen und Droppen von Dateien. Andererseits passt es natürlich auch sehr gut zu dem, was meine Partnerin Kati und ich gemeinsam künstlerisch machen. Wir arbeiten oft digital und im öffentlichen Raum und das bringt es mit sich, dass wir unsere physischen Installationen mitnehmen („draggen“) und dann eben auch dort, wo wir ein Publikum finden („droppen“).“

    Was für ein Projekt habt ihr euch für die diesjährigen Dialogfelder überlegt?

    Niklas: „Das Projekt an dem wir hier gerade gemeinsam arbeiten wird ein “Vektorkollektor“, ein mobiles Gerät, mit dem wir Vektoren einsammeln. Die Idee dabei ist, dass Menschen Zeichnungen mit einem Joystick anfertigen können. Die Bilder werden dabei digital gespeichert und wir bauen ein Archiv an Vektorzeichnungen auf. Die Vektoren werden wir in der letzten Woche weiterverarbeiten, mit dem Ziel auf dem Sonnenberg etwas Bleibendes zu hinterlassen.“

    Digitalität im Chemnitzer Stadtraum, vor allem auf dem Sonnenberg: Science-Fiction oder Alltag?

    Niklas: „Auf dem Sonnenberg ist mir die Netzabdeckung über Freifunk sofort positiv aufgefallen. So etwas hätte ich in Berlin auch gerne. Da ist Chemnitz schon weiter als andere Städte und das ist eine tolle Sache.“

  • 07.01 ‣DREI FRAGEN AN BRIDA
    Dialogfeld 2

    Was für ein Projekt habt ihr euch für die diesjährigen Dialogfelder überlegt?

    Sendi: „Als wir vom Klub Solitaer kontaktiert wurden, hatten wir direkt die Idee, dass die Stadt selbst Protagonist unseres Projektes werden soll. Wir haben zwei Projekte entwickelt – „DOITYOURSELF“ ist eine Performance, bei der ein Bild kollektiv gezeichnet wird. Die Aktion findet beispielsweise in einem Park statt. Dort beginnen wir mit dem Malen anhand von Audioinstruktionen und laden Personen zur Teilnahme ein.
    Im zweiten Projekt „Trackeds“ sind Passant:innen unbewusst Teilnehmende. Die Filmaufnahmen der Stadt werden an unterschiedlichen Orten durchgeführt und die dabei erfassten Bewegungen der Autos und Menschen tragen dazu bei eine neue Arbeit zu erschaffen.“

     

    Hattet ihr im Vornherein schon ein Bild von Chemnitz oder habt ihr ein altes Bild zur Stadt bereits verworfen?

    Sendi: „Nein, wir wussten nur, dass Chemnitz genau wie unsere Stadt Nova Gorica  zur Europäischen Kulturhauptstadt 2025 gewählt wurde. An dem Tag als wir ankommen sind war es kalt und regnerisch, so dass niemand auf der Straße war. Meine Wahrnehmung der Stadt hat sich dann jedoch in den nächsten Tagen geändert. Erst dann habe ich gesehen, wie viel hier passiert und dass hier tatsächlich Leute wohnen. Ich weiß, dass das für Chemnitzer:innen vielleicht absurd klingt, aber bisher bin ich nur sehr aufgeschossenen Personen begegnet. Deswegen hat sich mein Bild wenn dann nur zum Positiven geändert.“ 

    Was möchtet ihr mit eurer Arbeit im Rahmen der Dialogfeldern sagen?

    Sendi: „Tatsächlich sollen die Chemnitzer:innen ihre Ideen und Träume bezüglich der Stadt erzählen. Wir sind einfach nur gern drei Künstler:innen hinter der Kamera und möchten beobachten was passiert und uns mit den Bewohner:innen austauschen.“

    Jurij: „Für unsere Arbeit ist es typisch, dass wir eine Umgebung schaffen, bei der der öffentliche Raum im Fokus steht. Die Teilnehmenden erschaffen die Kunst. Das Interessante an unseren Projekten ist, dass die Kunst deshalb nicht nur von uns abhängig ist. Letztendlich sind wir also nicht nur Künstler:innen, sondern auch Beobachter:innen.“

  • 07.01 ‣DREI FRAGEN AN PHILIPP RÖDING (PARA)
    Dialogfeld 1

    Was ist deine erste Assoziation zu Drag & Drop, unserem diesjährigen Thema? 

    Philipp: „Ich denke da zuerst an dieses kleine Computer-Händchen mit dem Mickey-Mouse-Handschuh und dieses Plop-Geräusch, wenn man eine Datei in einen Ordner fallen lässt.“

    Wie unterscheidet sich deine Arbeit sonst von deiner Arbeit hier in Chemnitz?

    Philipp: „Meine Praxis hat viel mit Text zu tun; ich schreibe. Bei PARA machen wir alle ein bisschen was von allem, ein Feeling für die Gegend bekommen, das mache ich sonst hauptsächlich. 

    Meine Arbeit hier ist gar nicht so anders – ich habe alles mögliche gelesen, was mit Rauch zu tun hat – ich habe über Walfang gelesen, die Herstellung von Walöl als Leuchtmittel, Bücher über London zur Zeit der Industrialisierung, weil ich versuche, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es war, in einem klassischen Arbeiterviertel wie dem Sonnenberg zu leben, wenn es so heftig verraucht war. Sich diese Vorstellung erschließen, über Texte und Bilder, das ist ein typischer Ansatz für mich. Heute morgen habe ich z.B. einen Text von Heinrich Böll über das Ruhrgebiet, auch einen der deutschen Industriestandorte gelesen. Ich lese viel über den Kohleausstieg, alles was unter den Komplex “Gesellschaftstransformation” fällt, auf die Verschiebung vom grundlegenden Prozess der Verbrennung von Dingen hin zu etwas neuem, unbekannten.“

    „Der Blick von PARA ist der Blick aus einer angenommenen Zukunft auf diese Epoche. Aus einer spekulativen Zeit schaut man auf eine Vergangenheit zurück, die unsere Gegenwart ist. Von der Zukunft auf die Gegenwart zu schauen, eröffnet Einiges.  Auf dem Sonnenberg bietet sich das an, weil man sieht, dass hier gerade vieles im Anfang ist – der Kreativhof ist ein klassisches Beispiel, den jetzt überlegt man: was ist Industrie, die zukunftsfähig und nachhaltig ist?“

     

    Erzähl uns von einer eurer Arbeiten, an die du gern zurückdenkst. 

    Philipp: „Die Ruinen der Spekulation in Frankfurt. Es ging um die Vorstellungen des Finanzmarkts von der Zukunft. Das sind sehr eigene Vorstellungen, die einer offenen, statistisch modellierbaren Zukunft, undefinierten Zukunft. Wir haben uns überlegt, dass diese Vorstellung irgendwann genauso Vergangenheit sein wird wie heute z.B. die Zukunftsvorstellungen der Antike, und haben deshalb die Taunusanlage zum Weltkulturerbe erklärt. Wir haben Menschen hindurchgeführt und sind mit vielen von Ihnen ins Gespräch gekommen. Sie haben intensiv auf die Arbeit reagiert, die Fiktion einer Zeitreise, die wir ins Spiel gebracht haben war teilweise ganz stark.“

  • 07.01 ‣DREI FRAGEN AN THE SYSTEM COLLECTIVE
    Dialogfeld 1

    Was waren eure ersten Chemnitz-Eindrücke?

    TheSystemCollective: „Was uns aufgefallen ist, sind die vielen Brachstätten. Dass sich vieles im Umbau befindet – wir haben das Gefühl, am Anfang einer Entfaltung angekommen zu sein und dass trifft sich für uns ganz gut.“ 

     

    Gibt es ein Lieblingstool oder eine Software, mit der ihr besonders gern arbeitet?

    TheSystemCollective: „Uns ist es wichtig, mit möglichst viel freier Software zu arbeiten. Dazu gehört z.B. Blender, ein 3D Programm. Auf der Programmierseite verwenden wir z.B. Leaflet, Three.js und unsere eigenen Open Source Programme; unsere Map kommt von OpenStreetMap. Das sind alles Programme, die einen partizipativen Zugang haben. Diesen Zugang versuchen wir auch den Künstler:innen zu vermitteln, die wir ans Digitale heranführen. Normalerweise macht Software den Benutzer zum Produkt; hier sind wir jedoch Besitzer:innen von dem, was wir erschaffen. Genauso ist es uns wichtig, dass die Künstler:innen weiterhin Besitzer:innen ihrer Arbeiten sind, die sie bei uns auf der Karte platzieren.“ 

    Erzählt uns von einer eurer Arbeiten, an die ihr gern zurückdenkt. 

    TheSystemCollective: „Unsere künstlerische Zusammenarbeit hat bei einer Ausstellung in einem leerstehenden Ladengeschäft in Wien begonnen. Die dort entstandenen Arbeiten wurden dann digital gespeichert und zu virtuellen Skulpturen im Stadtraum transformiert. Künstler:innen aus allen Sparten konnten dadurch ihre Arbeiten in ganz Wien verteilen. Die Ausstellungsreihe hieß “TheSystem – Phase.1”. Viele Künstler:innen, deren Ausstellungen abgesagt wurden, kamen dann auf uns zu und haben uns motiviert, weiterzumachen. Es wurde klar: was wir machen ist ein Museum ohne festen Ort. Wir sind keine Kurator:innen per se, wir teilen die Plattform für eigene Konzepte und deren Platzierung im öffentlichen Raum.“